by Andreas

„Made in Germany“ ist eigentlich eine englischsprachige Herkunftsbezeichnung, die übersetzt so viel bedeutet wie „hergestellt in Deutschland“ und Waren kennzeichnen soll, die in Deutschland produziert wurden.

In Zeiten von „wo komme ich her?“ und „wo gehe ich hin?“ werden Begriffe wie „fabrication francaise“ wieder an Bedeutung gewinnen - doch wofür stehen sie? Die vermutlich meisten sehen in „Made in Germany“ einen Qualitätsbegriff, der gute Produkte kennzeichnet. Dabei war das gar nicht die Intention als der Begriff entstanden ist.

Der Spiegel beschreibt in einem Artikel mit dem Titel „Dreist, dreister, Deutschland“ zum 125 jährigen bestehen des „Siegel“, wie die deutschen Unternehmen Ideen klauten, Produkte kopierten und Qualitätssiegel fälschten.

Deutsche Unternehmer galten im 19. Jahrhundert als dreiste Industriespione und ihre Produkte als Ramschware.

Die Sheffielder Eisenverarbeiter liefen in London Sturm gegen die deutsche Dreistigkeit. Alle Produkte, die aus Deutschland kämen, müssten künftig gekennzeichnet werden, lautete ihre Forderung, die schließlich mit einiger Verspätung im "Merchandise Act" 1887 umgesetzt wurde. Jedes aus Deutschland eingeführte Produkt trug seitdem den Stempel "Made in Germany". Er sollte die Konsumenten abschrecken und sie dazu bringen, die britischen Produkte zu kaufen.

Als eine Reaktion startete Deutschland eine wahre Qualitätsoffensive und bereits 10 Jahre später verfasste der damalige Kolonialminister Joseph Chamberlain einen Wirtschaftsbericht für die Gouverneure in den britischen Kolonien wo er folgendes feststellte:

Kleider: billiger und brauchbarer, Waffen und Munition: billiger und auffälliger, Bier: heller und besser angepasst, Zement: billiger, gute Qualität; Chemikalien: besser aufgrund besseren Wissens, Uhren: billiger, attraktiver, kunstvoller, Baumwollstoffe: billiger, auffälliger, Möbel: billiger, leichter, schneller lieferbar, Glaswaren: billiger und besser, Eisenwaren: billiger und besser angepasst, Schneidwaren: billiger, Werkzeuge: billiger, besser angepasst, neue Muster, Metalle (Nägel, Draht, Stahl etc.): billiger, gleich gut oder besser, Wollwaren: bessere Designs.

Der Schuß ging also nach hinten los. Schade nur, dass es in 2021 die meisten dieser Produkte nicht mehr als „made in Gemany“ gibt. Heute schlagen wir uns mit dem in seinen Ausmaßen noch nicht absehbaren Image Schaden herum, dass die deutschen Automobilbauer - unterstützt durch eines der wenigen deutschen großen Technologie Unternehmen der Firma Bosch aus Stuttgart - ihre Kunden in Sachen Qualitätsmerkmale getäuscht und betrogen haben.

Eine Studie der Welt mit dem Titel: „Weltmarktführer von morgen - Neue Ökosysteme in den Industrien – Wertschöpfungsketten neu gedacht“ startet mit dem vernichtenden Urteil „Die großen deutschen Konzerne durchleben eine Schwächephase. Protektionismus, Handelskriege und der Brexit verunsichern die exportorientierten Großunternehmen. Es fehlen verlässliche Rahmenbedingungen und wirtschaftspolitische Strategien, die den Unternehmen Orientierung für Investitionen in Zukunftstechnologien und innovative Geschäftsmodelle bieten.“

Da bekommt das Thema Globalisierung für den „Exportweltmeister“ Deutschland ( jeder vierte Arbeitsplatz in Deutschland hängt am Export ) ein ganz neues Gesicht. Zumal der Titel ein paar Jahre alt ist und seit 2008 verstaubt. Der Exportüberschuss von China lag bereits 2019 bei ungefähr dem Doppelten gegenüber Deutschland.

Und was die Kapitalisierung angeht so können wir dem Aktienindex MSCI World - er bündelt die nach Börsenwert größten Unternehmen der Industriestaaten. entnehmen, dass wir dort mit gerade mal 2,9% gelistet werden. Nach den USA (66,31 %), Japan (7,48 %), Großbritannien (4,27%), Frankreich (3,34%), Schweiz (3,21%), Kanada (3,17%).

Also liebe deutschen Michel*innen: Schlafmütze runter?

Immerhin »Made in Germany - Drei« war auch der Titel einer Ausstellung vom 3.6.–3.9.2017 des kunst verein hannover.

Im Fokus der dritten Ausstellung »Made in Germany«, die im fünfjährigen Turnus von den drei Institutionen gemeinsam kuratiert wurde, lagen die Produktionsbedingungen von Kunst in Deutschland. Die Gruppenausstellung ging der Frage nach, wie geografische, politische und institutionelle Strukturen sowie neue Technologien im Zuge der digitalen Wende entscheidende Voraussetzungen für die Herstellung von Kunst schaffen. In einer Kunstlandschaft mit einer nach wie vor international einzigartigen Dichte an Institutionen (Kunsthochschulen, Kunstvereine und Museen) ist die deutsche Szene ein wichtiger internationaler Produktions- und Diskursort der zeitgenössischen Kunst.

Also vielleicht doch wieder das Volk der Dichter und Denker?

Das „OECD-Projekt Future of Education and Skills 2030“ beginnt in seinem Vorwort wie folgt: „Wir leben in einer Welt, in der die Dinge, die leicht zu unterrichten und zu testen sind,
auch leicht digitalisiert und automatisiert werden können. Die Welt belohnt uns nicht mehr allein für das, was wir wissen – Google weiß ja schon alles –, sondern für das, was wir mit dem, was wir wissen, tun können. In der Zukunft wird es darum gehen, die künstliche Intelligenz von Computern mit den kognitiven, sozialen und emotionalen Fähigkeiten und Werten von Menschen zu verknüpfen. Es werden unsere Vorstellungskraft, unser Bewusstsein und unser Verantwortungsgefühl sein, die uns helfen werden, Technologien zu nutzen, um die Welt zum Besseren zu gestalten. Erfolg in der Bildung heißt heute nicht nur Sprache, Mathematik oder Geschichte, sondern ebenso Identität, Handlungsfähigkeit und Sinnhaftigkeit. Es geht darum, Neugier und Wissensdurst zu wecken, den Intellekt für Neues zu öffnen. Es geht um Mitgefühl, darum, die Herzen zu öffnen. Und es geht um Mut, um die Fähigkeit, unsere kognitiven, sozialen und emotionalen Ressourcen zu mobilisieren. Das werden auch unsere besten Mittel gegen die gößten Bedrohungen unserer Zeit sein: die Ignoranz – der verschlossene Verstand, der Hass – das verschlossene Herz – und die Angst – der Feind von Handlungsfähigkeit. “

Diesem glühenden Bekenntnis zur Menschlichkeit und den kommenden Generationen ist eigentlich wenig hinzuzufügen. Aber arbeiten wir daran? Arbeiten wir daran!

binGut möchte mit seinem Projekt „binGut Siegel“ dazu beitragen, dass zumindest im deutschsprachigen Raum ein gerüttelt Mass Ethik das Verhältnis und die Beziehung zwischen Mensch und Maschine bestimmt.

Wer Lust hat bei diesem Projekt des binGut e.V. mitzuwirken, ist herzlich eingeladen, sich in das Projektteam einzuschreiben. Vielleicht können wir ja einen Teil des einst guten Rufs von „made in Germany“ wieder zurückgewinnen.